Schneller, einfacher, günstiger: Seit Jahren versprechen Studios dank LED-Walls eine Arbeitsweise vor digitaler Kulisse, die in Echtzeit den Bedürfnissen der Regie und des DPs angepasst werden kann und die Postproduktion überflüssig macht.
Es ist die Zukunft des Filmemachens, wie es Industrial Light & Magic (ILM) in Zusammenarbeit mit Epic Games mit der Erfolgsstory von „The Mandalorian“ gezeigt haben. Ich bin ein großer Fan der neuen Möglichkeiten und freue mich über jedes Projekt, das mit Virtual Reality arbeitet. Ich habe als Kameramann in den vergangenen acht Jahre mit dieser und vergleichbaren Techniken gearbeitet und möchte hier meine Erfahrung mit euch teilen. Denn am Ende des Tages stehen wir Kamerafrauen und -männer im Studio vor dem virtuellen Hintergrund und sollten wissen, wo man mit dieser Technik an Grenzen stößt.
Seit der Veröffentlichung des Blogeintrags 25.03.22 ist viel passiert. Neue Projekte, aber auch neue Entwicklungen, so wie unzählige Gespräche mit Arbeitskollegen, DPs und VPTDs (Virtual Production Technical Directors) haben mich nun dazu veranlasst, Inhalte im Artikel zu ergänzen und manche Stellen zu präzisieren, viel Spaß beim Lesen.
Was steckt wirklich hinter der Technik?
Die LED-Wall kann der Produktion durchaus viel Geld einsparen, das hängt aber enorm davon ab, was gedreht werden soll und wie groß die Produktion ist. „The Mandalorian“ hatte ein Budget von 100 Millionen Dollar. Da ich nicht weiß, wieviel Geld es gekostet hätte, die Serie herkömmlich zu drehen, ist es schwer zu sagen, ob Disney hier Geld gespart hat. Sicher ist, dass es eine gute Investition in die Zukunft darstellt. Mehrere Seasons und andere Filme nutzen dieses LED-Studio, entwickeln die Technik weiter und das Know-How wächst. Auf lange Sicht lässt sich so sicherlich viel Geld sparen.
Ist Virtual Reality die Zukunft des Filmemachens?
Nein, ich glaube nicht, dass jemals ein Tatort vor einer LED-Wall gedreht werden wird. Oder wir den Bauernhof lieber am Computer generieren als aufs Land zu fahren und on Location zu drehen. Aber es gibt viele Gründe, dieser Technik eine Chance zu geben.
Bereits 2015 wurde ich als DP von einer Produktion beauftragt, eine LED-Wall-Lösung für die Umsetzung der Serie "Capelli Code" zu finden. Während zwei Jahren haben ich mit einem Team von kreativen Köpfen getestet, was das Zeug hält. Darunter auch die LED-Wall von AOTO, die Jahre später bei Matt Reeves "The Batman" zum Einsatz kam. Doch wir kamen zum Schluss, dass die LED-Wall nicht unseren Anforderungen entspricht und haben stattdessen auf eine innovative Rückprojektionslösung mit dem Flex-Glass von Screen Innovations gesetzt.

Links: Filmstill Capelli Code. Rechts: Aufbau im Studio mit einer 10m Flex Glass Screen.
Seither ist viel Zeit vergangen. Die Unreal Engine 5 ist erschienen und bietet nun realistischere Echtzeit-Render-Hintergründe als damals und würde heute sicherlich dazu führen, dass wir mehr Sets nur noch digital umsetzen. Es gab aber auch auf Seiten der Tracking-, Rotoscoping- und Greenscreen-Verarbeitung große Entwicklungsschritte in den vergangenen Jahren, welche den Gebrauch von Greenscreen erleichtern.
Diese großen innovativen Schritte vermisse ich bei der LED-Wall. Die LED-Panels wurden ursprünglich für Präsentationen auf Messen und als Werbefläche konzipiert und nicht für den Gebrauch als Screen für virtuelle Hintergründe im Filmstudio. Das merkt man, wenn man länger damit arbeitet, und leider bestehen die Probleme, welche wir bereits 2015 mit der LED-Wall hatten, auch heute noch.
Was für Probleme und Limitierungen hat die Technik?
Ein Hauptproblem — in meinen Augen — ist der unglaubliche Hype um die neue Technik. Es ist tatsächlich ein innovatives Tool für uns Filmemacherinnen und -macher und ich bin grundsätzlich ein großer Fan der Technik. Gerade weil ich mittlerweile das Know-How habe und mit den Limitierungen umgehen kann, weiß ich aber, dass man der Promotion der LED-Wall durch Studios und Hersteller mit der nötigen Skepsis begegnen sollte.
Die LED-Wall und die Unreal Engine bieten jegliche kreative Freiheit am Set.
Das ist wohl der Wunschtraum der Regie und DPs. Es ist das Versprechen vieler LED-Studios, und auch wenn es theoretisch möglich wäre, durch Real-Time-Rendering, Teile oder sogar den ganzen Hintergrund am Drehtag zu ändern, so ist es in der Praxis aus finanzieller Sicht keine wirkliche Option. Die Betreiber der HALO STAGE https://www.halostage.studio/ und die der DARK BAY https://www.dark-bay.com/ in Berlin gehören nicht zu den Studios, die leere Versprechen machen. Sie beraten und unterstützen gerade uns DPs meist sogar kostenlos in der Vorbereitungszeit.
Die kreative Freiheit gehört in die Preproduction. Wenn später am Set Cast und Crew dastehen, werdet ihr nicht mehr mit der Regie über einen Felsen im Hintergrund diskutieren können. Ihr und die Studiocrew wissen dann ganz genau, welche Shots gedreht werden. Die Studiokosten beginnen bei ca. 30.000,00 € (Preis gem. Angabe der HALO STAGE 2022) am Tag und kennen nach oben kein Limit.
Die LED-Wall sorgt für realistisches, besseres Licht auf den Schauspielern.
Die LED-Walls bilden nicht nur den Hintergrund. Sie, können auch an die Decke montiert werden und so die ganze Szenerie beleuchten. Man kann dann superschnell von einer Tages Szene zu einer Nacht Szene wechseln, ohne Lampen umzubauen und kann sie in einen Halbkreis oder sogar 360° ums Set herum bauen.
Die einzelnen LED-Panels lassen sich noch nicht biegen (Die Halo Stage arbeitet an einem biegbaren Panel). So kriegt man einen Treppeneffekt in den Kurven. Der ist zum Glück bei der laufender LED-Wall kaum zu erkennen, aber halt immer noch vorhanden.

Halo Stage in Berlin. Foto: Tom Keller
Tatsächlich reflektiert die LED-Wall das Licht auf die Props, Kostüme und die Schauspieler, was unglaublich hilfreich sein kann. Gerade bei der glänzenden, silbernen Rüstung des Mandalorian, den man vor einem Greenscreen nur umständlich hätte drehen können. Zudem weiß jeder, der bereits Greenscreen gedreht hat, wie wichtig es ist, die richtige Lichtstimmung herzustellen. Mit den LED-Walls ist das sehr einfach. Vorausgesetzt das Studio weiß, was es tut und unterhält die Wand. Denn es kommt immer wieder zu toten oder defekten LEDs. Wie bei jeder anderen LED-Einheit verbrennt jede einzelne Diode über die Zeit, verliert an Leuchtkraft und verfärbt sich. AOTO justiert die LED Panels nach 3 Jahren und die HALO STAGE hat dafür extra Ersatz-LEDs, die denselben Brennstunden ausgesetzt werden, um defekte Einheiten spurlos zu ersetzen. Ein unglaublicher, aber nötiger Aufwand, damit man ein homogenes Bild und eine hohe Qualität gewährleisten kann. Am Ende sind die meisten LED-Panels nach ca. 10 Jahren unbrauchbar und müssen komplett ersetzt werden.
Wie steht es um die Lichtqualität?
Bleiben wir bei den LEDs. Die sind nämlich leider nicht das, was sich ein DP wünscht, um zu leuchten. Es sind einfache RGB-Lichter mit miserabler Farbqualität. Was wieder daher kommt, dass die LED Panels aus dem Messe- und Werbebereich kommen und für das menschliche Auge produziert wurden. Um hier intensive Farben darstellen zu können wählt man gezielt LEDs, die ein möglichst schmales Spektrum und ein großes Gamut besitzen.

Die fehlende Emission zwischen den Peaks wird jedoch zum Problem, sobald ein Kamerasensor ins Spiel kommt. Das ist allgemein ein Problem von LED-Lampen. Professionelle Filmlampen-Hersteller wie ARRI, Kinoflo oder Dedolight bauen zusätzliche White Dioden in ihre RGBWW... Lampen ein, um das Farbspektrum zu verbessern. Doch eine LED-Wall auf Kinoflo Mimic VR Qualität könnte sich im Moment niemand leisten. Zudem besteht hier das Problem, dass ein LED Baustein entwickelt werden muss, der alle 4 oder 5 LEDs in ein Package packt, da man sonst Farbverschiebungen bekommt wenn das Licht für das eine Pixel nicht wirklich aus demselben Punkt kommt.
Deshalb sollte man nochmal in sich gehen und sich fragen, wieso man bei sonstigen Drehs nur auf anerkannte Marken setzt und keine billigen Kopien aus China verwendet, aber jetzt eine Ausnahme im teuren LED-Studio macht.

Alle Messungen wurden mit größter Sorgfalt mit dem Sekonic Color-Meter C-800 durchgeführt, abweichende Messungen unter anderen Konditionen sind möglich.
Der Farbwiedergabeindex (CRI) beschreibt die Farbwiedergabe einer künstlichen Lichtquelle – in diesem Fall die LED-Wall –verglichen mit Sonnenlicht. Der Maximalwert liegt bei 100 Ra und bedeutet, dass es für unser Auge keinerlei Farbverfälschung durch das Licht gibt. Für den Heimgebrauch wird allgemein ein Ra Wert von 80+ empfohlen. Ein Ra Wert von unter 50 gilt als ungenügend.
Der Ra Wert berücksichtigt aber nur die Pastellfarben von R1 - R8. Die Volltonfarben von R9 - R15 werden nicht berücksichtigt. Mittlerweile weisen viele Consumer Lampen gute, gefälschte Ra Wert auf, weil die Hersteller dafür sorgen, dass genau diese Pastellfarben in der CRI Messung sauber wiedergegeben werden können. Darum ist es wichtig auch die Volltonfarben und den Extra für die Kamerasensoren und LED Lampen entwickelte SSI (Spectral Similarity Index) zu berücksichtigen. Da mich vor allem die R9 (starkes Rot), R13 (helles, gelbliches Pink) und R15 (asiatischer Hautton) werte interessieren, messe ich auch heute noch den CRI Wert. Wenn dieser schlecht ist, bringt auch ein hoher SSI Wert nichts und wenn dieser gut ist, überprüfe ich die Messung mit dem SSI.
Wenn CRI oder SSI Werte schlecht sind, wie das grundsätzlich der Fall ist bei LED-Walls, kriegt man keine farbechten Aufnahmen von Kostümen, Props und Hauttönen hin. Man muss sich also früh mit dieser Limitierung auseinandersetzen und einen entsprechenden Look suchen. Die Palette ist limitiert und die fehlenden Farben lassen sich grundsätzlich auch in der Post nicht wiederholen. Auch beim Abfilmen der LED-Wall selbst kommt man um eine Farbkorrektur nicht herum. So müssen die LEDs an den jeweiligen Kamerasensor angepasst werden, dies ist grundsätzlich ohne große Probleme möglich, und kriegen gute Studios für jeden Kameratypen hin, solange die Farbverschiebung durch den Blickwinkel nicht zu groß ist.
Zu groß wird die Farbverschiebung durch den Blickwinkel bei den Panels an der Decke. Die meist sogar weniger hochwertige Panels lassen sich so nicht an die LED-Wall angleichen. Ich behaupte, dass es deshalb kein Zufall ist, dass in den Making-of-Aufnahmen aus "The Mandalorian" bei den Decken-Panels kein Himmel eingeblendet ist. Die Farbdifferenz und die falsche Perspektive würden das Ganze einfach schlecht aussehen lassen.

Screenshots aus: Why 'The Mandalorian' Uses Virtual Sets Over Green Screen | Movies Insider https://www.youtube.com/watch?v=Ufp8weYYDE8
Kommt ein LED-Studio-Dreh ohne Filmlicht aus?
Wer denkt, er könnte jede Situation einfach über die Unreal Engine und die LED-Wall leuchten, hat vergessen, dass diese nur weiches Licht abgeben. Also selbst wenn sich im Hintergrund eine Sonne auf der Leinwand befindet, braucht es eine zusätzliche, harte Lichtquelle, die den Vordergrund beleuchtet. Bei den meisten LED-Walls lassen sich die einzelnen Panels ausbauen, so kann man auch mit einer Lampe durch die Wand hindurch Leuchten und das dauert beim System der HALO STAGE tatsächlich nur ein paar Sekunden. Aber wenn die Schauspielerin sich bewegen soll, sorgt der wandernde Schatten bereits wieder für das nächste Problem. Man muss sich eingestehen, dass das mit der versprochenen schnellen Arbeitsweise wohl doch nicht so ganz stimmt. Der Fairness halber muss ich sagen, dass es beim Greenscreen-Studio mit dem Schatten nicht anders wäre. Das ist der Grund, weshalb meist auf den Schatten komplett verzichtet wird und diese dann in der Postproduktion ergänzt werden.
Wie steht es um den Weiß- / Schwarzwert?
Anfangs war ein Argument für die LED-Wall und gegen die von uns verwendete Rückprojektionswand die, dass sich das LED komplett ausschalten lässt und somit an diesem Ort ein reines Schwarz zu sehen ist. Ein Projektor streut das Licht auf die Leinwand und das kann nicht zu einem perfekten Schwarz führen, selbst wenn die Leinwand dunkel ist.
Klingt logisch, ist aber nicht der Fall. Die LEDs sind, wenn sie ausgeschalten sind kleine weiße Punkte, die das Umgebungslicht im Studio reflektieren und so kommt tatsächlich die Flex-Glass Rückprojektionswand auf einen viel besseren Schwarzwert.

Halo Stage in Berlin. Foto: Tom Keller
Auf diesen Bildern ist die LED-Wall komplett ausgeschaltet. Die Decken-Panels beleuchten das Set und leider auch die LED-Wall. Im Vergleich zum Schwarz beim Auto ist die LED-Wall hellgrau. Ein Argument für die LED-Wall ist, dass sie dafür ein besseren Weiß-Wert hat.
Die LED-Wall ist tatsächlich unglaublich hell. Um Artefakte wie Scanlines zu vermindern sollte man die LEDs auch auf voller Helligkeit laufen lassen, was dann wieder dazu führt, dass man eigentlich zu viel Licht und Hitze am Set hat. Auch hier gibt das Flex-Glass, abhängig von dem verwendeten Projektor, genügend Licht, um problemlos arbeiten zu können.
Die LED-Studios mögen anpreisen, dass man nun mit blauen und grünen Kostümen drehen darf, was man bei einem Greenscreen nicht könne (was so übrigens schon lange nicht mehr stimmt). Sie ignorieren aber die Tatsache, dass man bei ihnen nicht mehr mit dunkelschwarzen Kostümen und Props arbeiten sollte, weil die Leinwand einen solchen Wert nicht liefern kann.
Das scheint für eine große Disney Produktion kein Problem zu sein, da sie sowieso jedes Kostüm und alle Props extra herstellen lassen oder mit Masken gezielt die Schwärzen im Hintergrund in der Postproduktion wieder herunterziehen. In den meisten Fällen wird der problematische Hintergrund in der Postproduktion ganz einfach komplett ersetzt. Dafür gibt es leider noch weitere Gründe:
Was ist ein PIXEL PITCH?
Kommen wir zum Hauptgrund, weshalb ich mich 2015 gegen die LED-Wall ausgesprochen habe, den Pixel Pitch. Es ist der Abstand zwischen den einzelnen Pixeln auf der Leinwand. Nehmen wir den Abstand von 2.86 mm zwischen den Dioden, wie es bei „The Mandalorian“ der Fall war. Dann sind die Pixel mehr als 50-mal weiter auseinander als bei einem iPhone 13 Pro. Wieso spielt das eine Rolle? Tatsächlich kann es je nachdem, was man vor hat, vernachlässigt werden. Zum Beispiel wenn man die Leinwand durchgehend in der Unschärfe abfilmt. Da wir aber das exakte Gegenteil vorhatten und die Schärfe zwischen der realen Ebene und der Projektionsebene hin- und herziehen wollten, hatten wir mit unschönen Moiré Effekten zu kämpfen.
Das passiert dann, wenn weniger Dioden abgefilmt werden, als die Kamera Pixel hat. Das Problem wird mit höherer Auflösung der Kamera sogar noch schlimmer. Wir haben 2015 bereits einen 1,2mm Pixel Pitch getestet, da erschien der Moiré Effekt deutlich später und schwächer. Diese Panels sind aber unglaublich viel teurer. Das wird auch der Grund sein, weshalb viele LED-Walls einen viel größeren Pixel Pitch aufweisen, als heute möglich wäre. Dazu kommt, dass jedes LED von den Studios als Pixel behandelt wird. Sie sagen sich, dass sie nicht die Rechenkapazität haben, ein hochauflösenderes Bild auf die LED-Wall zu geben. Das ist meiner Meinung nach ein komisches Argument. Es geht am Ende nicht darum, mehr Bildinformation zu bekommen, sondern den Moiré Effekt zu minimieren oder gänzlich zu verhindern. Da spielt es keine Rolle, wenn mehrere Pixel dieselbe Bildinformation haben, also ein 4K Bild auf eine 8K Fläche gespielt wird. Erst recht, wenn es aus der Unreal Engine kommt, wo die 3D-Umgebung oft viel zu scharf ist und sowieso künstlich weicher gemacht werden muss.

Links: LED-Wall mit 7mm Pixel Pitch. Rechts LED-Wall mit 1.2mm Pixel Pitch / Bilder: Tom Keller
Am Ende reicht aber selbst ein 1,2mm Pixel Pitch nicht aus. Ich vermute, dass sich aus diesem Grund das Pixel Pitch Problem noch lange halten wird.
Kleiner Hinweis am Rande: Selbst wenn man den Hintergrund gänzlich in der Unschärfe lässt, kann der Moiré Effekt in einer Spiegelung auftreten. Weil die Studios, um Geld zu sparen, meist mit LED-Walls leuchten, die einen höheren Pixel Pitch haben, hatte ich auf der Autoscheibe einen Moiré Effekt durch die Decken-Panels in der Spiegelung. Das ließ sich beheben, indem man die LED-Wall weiter vom Objekt entfernt hat. Sobald man den Schärfebereich jedoch wieder verstellt hatte, tauchte der Moiré Effekt erneut auf. Sehr schnell kann sowas zu einem Zeitfresser und einem ernsthaften Problem werden.
Wie lässt sich die Realität mit der virtuellen Welt verbinden?
Egal ob man nun die teure LED-Wall oder eine günstigere moderne Rückprojektion verwendet. Sobald man die Schauspieler vom Hintergrund trennt, indem sie zum Beispiel in einem Haus, einem Auto oder auf einem Boot sind und kein Übergang zum virtuellen Raum im Frame sichtbar ist, ermöglicht die Technik tatsächlich eine unglaublich schnelle Arbeitsweise. Kleine Details, wie eine Spiegelung auf dem Autolack oder Spill von der Leinwand auf den Schauspieler bringen zusätzlichen Realismus und für die meisten dieser Shots ist tatsächlich keine Postproduktion mehr nötig.

Links: Filmstill mit Spiegelung der Leinwand. Rechts: Aufbau im Studio mit einem 4m Flex Glass Screen.
Zudem bietet die Technik mehr kreative Freiheit, als wenn man zum Beispiel mit einem Tieflader auf der Straße fährt. Man ist auch komplett wetterunabhängig und kann einen ganzen Tag mit einer Dämmerungsszene verbringen.
Es ist jedoch eine zeitintensive Herausforderung, Kulissen und Props an die virtuelle Welt auf der LED-Wall anzugleichen. Es geht bei der Rückprojektion dank dem besseren Farbraum etwas leichter, aber auch hier muss genügend Vorbereitungszeit eingeplant werden. Das Problem wird größer, wenn das virtuelle Set über die LED-Wall als Lichtquelle genutzt wird.
Da die LED-Wall das Studio-Set beleuchtet, kann man nicht einfach die Farbe des virtuellen Bodens ändern, um ihn an den realen Boden im Studio anzupassen. Der virtuelle Boden ist genauso eine Lichtquelle, wie der Rest der Wall und ändert man die Farbe auf der Wand, ändert sich auch die Farbe auf dem Set. Man ist also ununterbrochen daran, diese Übergänge anzugleichen. So ist es tatsächlich einfacher, die Farbe der realen Props / Kulisse an die Wand anzugleichen. Also neu zu übermalen, wenn das Budget sowas zulässt. Sonst muss der Shot in der Postproduktion gefixt werden. Es überrascht nicht, dass dies sehr oft gemacht wird. Vergleicht man den Boden in den BTS Shots von "The Mandalorian" und des LED-Wall Motorradspots weiter unten, sieht man, wie weder die Schneefläche noch der Waldboden mit dem Hintergrund verschmelzen. Sowas muss in der Postproduktion angepasst werden.
Es ist mit genügend Vorbereitungszeit und Erfahrung nicht unmöglich, selbst real gefilmte Personen auf die Leinwand zu bringen. Wir haben das für mehrere Szenen gemacht. On Location haben wir mit Doubles aufwendige Szenen gedreht und dann im Studio mit Hilfe der Rückprojektion die Schauspieler in die Szenerie eingebaut. Das ist am Ende super effizient, weil die Schauspieler so keine Wartezeiten haben und man mit ihnen an einem Tag gleich mehrere Locations abdrehen kann.
Was ist der Virtual Greenscreen?
Die Idee ist, dass nur der Bildausschnitt der Kamera oder sogar nur ein kleiner Bereich hinter den Schauspielern grün ist. Die Aufnahme ist mit Tracking Markers versehen und dank der Wand homogen ausgeleuchtet. Auf dem Rest der LED-Wall ist in meist niedrigerer Auflösung die Umgebung aus der Unreal Engine zu sehen. Und das ist tatsächlich eine Möglichkeit, die ich großartig finde. Denn jeder, der mit Greenscreen gearbeitet hat weiß, wie wichtig es ist, die grüne Fläche auf das absolute Minimum zu beschränken, um so wenig wie möglich Green Spill zu erhalten.

Links: BTS aus "The Mandalorian" von fxguide.com Rechts: Still aus BTS Video aus "The Mandalorian" Movie Insider.
Man hat durch das Trackingsystem der Kamera bereits die ganzen Daten und kann mit nur einem Klick den Hintergrund wieder einbauen. Das jedenfalls könnte man meinen, denn da kommt schon das nächste Problem und der Grund, wieso auch Tracking Markers projiziert werden müssen.
Wieso funktioniert Live-Tracking nicht wirklich?
Das Problem besteht bei jeder Kamerabewegung, zumindest im Moment. Denn das Tracking System, die Unreal Engine und weitere Komponenten sorgen für eine Verzögerung, die von wenigen Frames bis zu einer halben Sekunde dauern kann. Wenn ich also meinen Schwenk mit der getrackten Kamera beginne, dauert es eine halbe Sekunde, bis sich auch der Hintergrund entsprechend bewegt. Die Parallaxe funktioniert also nicht und man kann –wenn überhaupt – nur in eine Bewegung reinschneiden. Das ist ein ernsthaftes Problem, das zwar in der Postproduktion behoben werden kann, wie übrigens der Moiré Effekt auch, aber es zeigt eine Sache sehr genau:
Mit der LED-Wall spart man sich keine Postproduktion. Und gerade, wenn man sich anschaut, was in den letzten Jahren auf dem Gebiet des Tracking und Keyings passiert ist, stellt sich schon die Frage, ob eine LED-Wall einem normalen Greenscreen vorzuziehen ist.
Hat man im Studio nicht den besseren, reineren Ton?
Als Kameramann tappe ich oft selbst in die Falle und denke zu wenig über den Ton nach. Deshalb hier zum Schluss ein ganz wichtiger Punkt, über den wirklich niemand spricht: Real Ton im LED-Studio braucht man nicht aufnehmen. Die Lüfter der LED-Panels sind deutlich zu hören. Aber viel schlimmer ist die Akustik, welche die Tonaufnahme durch die Wand regelrecht unbrauchbar macht. Man wird also nicht um eine Nachsynchronisierung herumkommen. Das Problem wird weniger schlimm, je kleiner die Wand ist, aber man sollte sich unbedingt zuvor mit dem Tontechniker die Situation anschauen.
Fazit:
Die neue LED-Wall-Technik steckt noch in den Kinderschuhen und das wird sie auch noch eine ganze Weile. Viele der LED-Studios werden sich in den kommenden Jahren nicht halten können und wieder von der Bildfläche verschwinden.
Es ist kein Zufall, dass Movies Insider in ihrem YouTube Video https://www.youtube.com/watch?v=Ufp8weYYDE8 über „The Mandalorian“ bei Minute 1:06 als Beispiel für eine Rückprojektion eine James Bond Verfolgungsjagd aus dem Jahr 1962 zeigen. Würden sie zeigen, dass die heutige Rückprojektionstechnik, so wie wir sie bei "Capelli Code" genutzt haben, sogar einen tieferen Schwarzwert liefert als ihre LED-Wall, wäre das sicherlich kein gutes Verkaufsargument.
Wenn man die Mittel hat, um die oben genannten Probleme in der Postproduktion zu lösen und große virtuelle Sets drehen muss, dann ist das LED-Studio wohl trotzdem das Richtige– weil man theoretisch unendlich groß bauen, aber auch mit wenigen Panels auf engstem Raum sehr flexibel arbeiten kann. Auch für den einen oder anderen Werbespot mag die Technik Sinn machen. Aber wenn man nicht gerade ein 100 Millionen Budget hat, sollte man sich unbedingt auch günstigere und bessere Alternativen anschauen.

Links: Aufbau im Studio mit einem kleinen 4m Flex Glass Screen. Rechts: Das Resultat in der Kamera.
Für mich war es die Rückprojektion, da sie im Vergleich zur LED-Wall kein Problem mit dem Pitch hat und ich so die Möglichkeit hatte, die Schärfe auf die Leinwand und in den virtuellen Raum zu verlagern. Dazu kommen der tiefe Schwarzwert und der bessere Farbraum. Einziger bisheriger Nachteil für mich ist die limitierte Höhe von max. 2,6m. Diese Limitierung soll jedoch auch bald der Vergangenheit angehören. Die Rückprojektion mit dem Flex Glass von Screen Innovations ist im Moment für mich definitiv die bessere Alternative für Produktionen im einstelligen Millionen Bereich und wird früher oder später sicherlich auch bei einem „Tatort“ zur Verwendung kommen.
DANKE FÜRS LESEN und besonderen Dank für die Inputs: Adrian Weber (VPTD), Lauritz Raisch(VPTD), Marlon Candeloro(VPTD),